An dieser Stelle möchten wir von film-sprache.de euch auf die Festivalbeiträge der diesjährigen Kurzfilmtage aufmerksam machen, die uns unabhängig von Juroren und Presse berührt, überrascht und amüsiert haben.
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Im Niederländischen Beitrag Souvenir aus Afrika erzählt ein Mann aus dem Off die Geschichte eines Mitbringsels aus dem letzten Afrikaurlaub. Dabei handelt es sich um einen Orang-Utan, der zurück in der kleinen Hochhauswohnung seiner neuen Familie ein etwas einsames Dasein fristet.
So oft der Erzähler auch beteuert, das neue "Haustier" würde seinen Lebenssinn einzig darin sehen, bei seiner neuen Familie zu sein - die marionettenartige Stoffpuppe mit seinen steifen Bewegungen und dem traurigen Gesicht will diese Behauptung nicht bestätigen. Das lebendige Souvenir verlässt die Familie so auch zum Schluss, als es bei einem Fluchtversuch getötet wird.
Die Arbeit der Regisseure Arianne Otlhaar und Marjolijn van der Meij funktioniert trotz seiner Albernheit als Kritik an der Forderung von kultureller Anpassung an Immigranten. Ein kurzer, lakonischer Film mit einem absurd-komischen Protagonisten.
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Proshanie, Lebewohl der deutsche Titel, ist eine armenisch-russische Co-Produktion und wirkt weniger wegen seines Humors, sondern aufgrund der wunderschönen Bildkompositionen nach.
Ein junges Paar und ihre Beziehung wird von allen Seiten beleuchtet. Wir erleben ihre Hoch- und Tiefpunkte von den ersten Berührungen bis zu einer Schwangerschaft und dem Nervenzusammenbruch des Mannes.
Ohne Worte werden nur durch die durchkomponierten Bilder die Gefühle der Darsteller transportiert. Dynamische Szenen wechseln mit malerischen Einstellungen, in denen Kameramann Alexandr Kuznecov seine Darsteller selbstbewusst verharren lässt. Am Ende finden beide mit ihrer Tochter zwischen strahlend gelbem Herbstlaub wieder zusammen.
Ein nachdenklicher Film mit einer imaginativen Bildsprache.
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Zynismus pur ist hingegen der kanadische L'Axe du mal.
Selbst denjenigen mit rudimentären Französischkenntnissen wird dabei die Kampfansage George Bushs in den Sinn kommen, als er der "Achse des Bösen" und somit nicht nur dem Irak den Krieg erklärte.
Pascal Lièvre legt diese Rede lieber einem Liebespaar in den Mund. Zur Melodie von "When the rain begins to fall" rezitieren diese beiden singend die Worte des kriegsfreudigen Präsidenten vor der kitschigen Kulisse der Niagarafälle, als würden sie sich ewige Liebe gestehen.
Im Refrain wiederholt sich der Un-Satz von der "Achse des Bösen" und die Stärke dieses bitterbösen Videoclips liegt darin, dass Lièvre seine Parodie konsequent und kommentarlos für sich selbst sprechen lässt.
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Der vierte Film, wie die vorherigen von den Juroren ignoriert, ist der Beitrag The Drive North der jungen Amerikanerin Tess Ernst. Autobiographisch arbeitet sie den ersten Fluchtversuch aus dem elterlichen Nest auf.
Per Fernanzeige mietet sie sich in eine WG eine Tagesreise entfernt ein und bricht morgens mit ihrer besten Freundin Erin auf. Doch schon bald weicht die erste Euphorie den Sorgen und Zukunftsängsten der Jugendlichen. Die strapaziöse Reise führt zu einem heftigen Streit und das neue Heim ist eine verwahrloste Bude mit dreckigem Geschirr und gelb gefleckten Matratzen. Am nächsten Morgen tritt Erin, ohne sich mit ihrer Freundin zu versöhnen, die Heimreise an und Tess bleibt allein zurück.
The Drive North ist die klassische Geschichte von geplatzten Jugendträumen und dem bösen Erwachen in der neu gewonnenen Freiheit. Ein authentischer Beitrag einer experimentierfreudigen Künstlerin wider dem Amerikanischen Traum.
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Die Chance, einen dieser Filme einmal im Fernsehen oder gar auf der großen Leinwand zu sehen, mögen gering sein. Haltet jedoch Augen und Ohren offen, vielleicht erbarmen sich Arte, 3Sat oder ein anderer glücklicher Zufall macht es euch möglich und einer der vier Filme findet den Weg zu euch.
Maxi Braun