Kafka kann auch komisch sein
Wer Gregor Samsas Verwandlung zum ekligen Käfer erlebt hat weiß, dass Franz Kafka ein recht verschrobener Zeitgenosse gewesen sein muss. Wer bei dieser wohl berühmtesten Erzählung des Prager Autors kapitulierte und die metaphorische Metarmorphose nicht als solche erkannt hat, kann sich dennoch Steven Soderberghs filmische Variante kafkaesken Lebens ansehen.
Soderbergh, der geschickt zwischen Kommerz (Ocean's Eleven) und Kunst (Schizopolis) balanciert, hat gar nicht vor, ein Biopic des Blässlings zu zeichnen. Er nimmt einfach einen Abschnitt aus Kafkas Leben, spießt ein bisschen Fiktion, ein wenig Wahrheit drauf und taucht diesen Phantasie-Schachlik in atmosphärische Schwarz-Weiß-Bilder.
Zu Beginn erfährt der Versicherungsangestellte Kafka, dass sein bester Freund gestorben ist. Selbstmord, eröffnet ihm der mißtrauische Polizist Grubach (Armin Mueller-Stahl) und Kafka verfolgt die Spur zurück bis zu einer rebellischen Untergrundorganisation, angeführt von der (zumindest für Kafka) faszinierenden Gabriela alias Theresa Russel. Diese kämpft gegen den Apparat, für den auch Kafka zuständig ist und hegt den Verdacht, dass auf einem ominösen Schloss grausame Menschenexperimente durchgeführt werden, um in die Psyche einzudringen und jegliche Individualität des Geistes genetisch auszuschalten.
Die Geschichte macht Soderberghs Kafka nicht spannend. Ein bisschen Das Schloss hier, ein wenig Der Prozess da und bestimmt noch einige andere Anspielungen auf Romane und Geschichten, die Kafka zu selbst-therapeutischen Zwecken verfasst hat, ergeben ein Mosaik, dass bei näherer Betrachtung viel Mut zur Lücke aufweist.
Faszinierend ist hingegen die Art und Weise, in der Kafka fotographiert ist. Jedes Bild ist eine Komposition und die scharfen, sorgenvollen Kanten, die Jeremy Irons Kafkas Gesicht verleiht, werfen kalte Schatten an die Steinmauern eines historischen Prags.
Jeremy Irons gibt Kafka in doppelter Bedeutung ein Gesicht. Wir lernen ihn als einen verschlossenen Menschen kennen, der sich in seine Paranoia flüchtet, einen braven Bürger, der sich in seinem eigenen Leben verheddert und, wie wir heute wissen, daran verzweifelt ist. Auf der anderen Seite erzielt Irons brilliantes Spiel den gleichen Effekt wie einst Gary Oldmans Darstellung des Lee Harvey Oswald. Von nun an wird sein Gesicht vor unserem inneren Auge erscheinen, wenn der Name Kafka fällt.
Damit der Franz innerlich und Kafka äußerlich nicht in grauen Depressionen versinkt, erhalten Nebenschauplätze und Figuren Dynamik, indem sie die Handlung scheinbar unterbrechen, um mit absurdem Humor die Zuschauer ein wenig zu entspannen und Kafka die Arthouse-Last von Soderberghs schmalen Schultern zu nehmen.
Soderbergh selbst mault mittlerweile, mit dem Ergebnis nicht zufrieden zu sein, da Kafka trotz guter Darsteller nicht gelungen sei und er nun nie mehr die Möglichkeit haben wird, einen Schwarz/Weiß Film zu drehen. Das Understatement ist unangebracht.
Denn die lyrischen Bilder, fast cinematographische Poesie, wie sie sich in heutiger Zeit bei all den Rough Cuts und Slow Motion-Explosionen kaum jemand traut, wecken den Wunsch, Soderbergh würde sich doch ein zweites Mal an ein Schwarz/Weiß–Experiment wagen.
Maxi Braun