Aller guten Dinge sind bekanntlich drei. Diese Lebensweisheit gilt besonders in Hollywood, angefangen mit dem Krieg der Sterne (ab 1977), Indiana Jones (ab 1981), den moderneren Vertretern wie Herr der Ringe und Spider-Man oder eben Scream. Die Zahl Drei scheint so fest zum orthodoxen Kanon Hollywoods zu gehören wie das Happy-End in einer Schmonzette.
Eine gewisse Kausallogik scheint auch zu bestehen, denn zu einer schlüssigen Gesamtgeschichte gehört auch ein endgültiges, furioses Finale, was man tragischerweise auch im realen Leben zum Beispiel an so mancher Hollywood-Karriere beobachten kann. Und überhaupt, Sequels zeigen von Natur aus Verschleißerscheinungen, das weiß doch jeder!
Was hat sich Wes Craven also dabei gedacht? Ziemlich viel, behaupte ich, aber dazu gleich mehr.
Zehn Jahre sind nach den Ereignissen von Scream 3 vergangen, und noch ein Jubiläum jährt sich im pittoresken Woodsboro, denn pünktlich zum 15. Jahrestag des ersten Ghostface-Mordes werden unschuldig einfältige Blondinen vom maskierten Psychopathen telefonisch terrorisiert und heimtückisch gemeuchelt. Den gleichen Termin nimmt sich unglücklicherweise auch Sidney Prescott (Neve Campbell) zum Anlass, um ihr neuestes Buch in der Heimatstadt vorzustellen, wodurch sie wieder in den Schatten der bleichen Maske gerät. Natürlich sind die alten Haudegen wie Gale Weathers und Dewey (Courteney Cox und David Arquette, hier nun endlich verheiratet, im Gegensatz zur Realität, wo das Liebesglück 2010 zerbrach) auch wieder mit dabei, wenn zur Jubiläums-Mörderhatz gerufen wird.
Wes Craven, Jahrgang 1939, geübter Veteran im Umgang mit scharfen Klingen (The Last House on the Left, The Hills Have Eyes oder A Nightmare on Elmstreet), hat sich wieder mit dem Originalschreiber des ersten Teils, Kevin Williamson (Scream 1 & 2, I Know What You Did Last Sommer, The Faculty) zusammengetan. Dieser pumpte mit dem ersten Teil wieder ordentlich frisches Blut in das Slasher-Genre und verlieh dem grausigen Treiben neben ordentlichen Spannungsbögen, grandios verästelten Wendungen auch wunderbar treffsichere Dialoge.
Das Besondere aber war die augenzwinkernde Selbstironie und Reflexion des Genres an seiner selbst. Das genussvolle Haareraufen und Bewerfen der Leinwand mit Popcorn aufgrund der Dummheit der Opfer-Teenie-Lämmer übernahmen die Charaktere lieber direkt selbst. Durch die Analyse der Genreklassiker versuchten sie sich vom Klischee zu befreien, um die nächsten Züge des Killers vorauszusehen, nur leider ist dieser selber medial ziemlich bewandert.
Diese selbstironische Spiegelung machte den Reiz der Scream-Reihe aus und tut es noch immer. Scre4m unterhält von der ersten Minute bis zum grandios geglückten und vollkommen überraschenden Finale. Das Erfolgsduo kehrt mit einer Frische und Vitalität nach Woodsboro zurück, die sich eigentlich schon im zweiten Teil langsam zu verflüchtigen begann. Man schämt sich nicht, das Thema wiederholt aufzugreifen, sondern verdreht, dekonstruiert und setzt das Klischee "Sequel" neu zusammen, um uns so direkt in unseren Sehgewohnheiten und –erfahrungen zu manipulieren.
Wenn Ghostface süffisant Sidney fragt, ob sie wirklich meine, der tragende Charakter zu sein, kann man sich eines mulmigen Gefühls nicht erwehren. Hat die unkaputtbare Heroine den Generationensprung verpasst oder wird sie den Gesetzen des Genres zufolge drangsaliert und mit ordentlichen Blessuren die finale Konfrontation überleben?
Als Zuschauer sind wir nicht nur den Suspense-Attacken von Ghostface ausgesetzt, sondern auch die beiden Schelme Craven und Williamson ergötzen sich und rütteln ordentlich an unseren festgefahrenen Erwartungshaltungen, was so raffiniert funktioniert wie seit dem ersten Scream nicht mehr.
Angelos Botsaris
13.05.2011
Offizielle Scream 4/Scre4m-Website: http://www.scream-4.com/
imdb: Scream 4/Scre4m
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